Dezember. Die Weihnachtsvorbereitungen laufen: Lichterketten, Weihnachtssongs und eine überfüllte Stadt, alle Jahre wieder so schön die Weihnachtspracht. Familien kommen zusammen und erzählen von ihrem Leben, Geschenke werden ausgepackt und ganz viel Liebe gegeben. Ein Schrei ertönt – die Stimme meiner Mutter erweckt mich aus meinem Weihnachtstraum. Zitternd, voller Schock erhalte ich einen Schuss in meinem Herzen. In Blut gebadet, zu Unrecht ermordet – Kinder hinterlassen – alle Weihnachtshormone verblassen. Mein Körper erstarrt, Worte können nicht erfassen wie es sich anfühlt – dieser Hass, diese Wut, diese Fragen.
Schmerz. Donnerstag. In schwarz gekleidet und völlig fertig: die Familie kommt zusammen. Jedes einzelne Gesicht erzählt ihre eigene Trauergeschichte, mittendrinnen ich – das Herz zerrissen, denn zu wissen, dass dieser eine Mensch nicht mehr da ist, dich nicht berühren kann und keine Rolle mehr in dem Buch deines Lebens spielt tut weh. Einst so schön gelacht, vieles miteinander durchgemacht – schon unbegreiflich, nicht verständlich und gerecht, ist das alles gerade überhaupt echt? Traumatisiert, ein Albtraum – ich will hier raus. Schmerz.
Wie damit umgehen? Weiterleben, den Alltag führen – so tun, als wäre alles normal? Polizei- und Feuerwehrsirenen verfolgen mich förmlich – Angstzustände, welches Familienmitglied ist nun dran? Bin ich hier noch sicher? Die Stimmen der Welt flüstern mir nämlich zu, dass ich doch so anders sei: die Hautfarbe spricht für sich selbst, eine andere Kultur und somit nicht dieselben Privilegien. Nein, ich irre mich nicht – denn ein friedliches Miteinander, Demokratie ist das, was Merkel mir verspricht. Sehen tue ich dennoch, kleine Kinder, die nicht mit den „normalen“ spielen dürfen, da sie „anders“ sind. Schönheitsideale, die europäische Gesichtszüge bevorzugen – schöner finden, sich an die Meinungen der Gesellschaft binden, statt den Menschen so zu nehmen wie er ist. Vielleicht irre ich mich – nein, tu ich nicht: die Politik macht es uns vor: Wut, Menschenfeindlichkeit und keine Akzeptanz und ich frage mich, von wo kommt dieser Hass? Was genau bringt uns das? Schmerz. Freitag – es ist hell, mein Körper ist wach, meine Gedanken eher schläfrig und völlig ausgelaugt. Leer, still und gleichzeitig laut, ein Chaos bricht aus – meine Antwort zur Frage meines Zustands ist: ich weiß es nicht. Ja, wirklich nicht. Dieser Schmerz macht sprachlos, wortlos (Stille). Schmerz.
Dienstag. Der Alltag klopft an und ich fühle mich nicht nach funktionieren, tun, da sein oder handeln. Dennoch wird mir eins bewusst: das Leben geht weiter. Es muss weiter gehen – die Trauer bleibt für eine gewisse Zeit bestehen, aber nicht für immer. Mir wird bewusst: der Tod sollte kein Tabuthema sein. Kein Geflüster. Nichts, worüber nur kurz gesprochen wird. Denn so überraschend er kommt, so unerwartet lange kann dieser eine Moment das Leben komplett einnehmen. Schmerz: es tut weh, mein Herz brennt – doch ich weiß, dass diese Zeit auch einen Ausweg kennt. Nämlich, die Akzeptanz, Liebe und die Stärke. Zusammenhalt in der Familie, sich mit der Trauer auseinandersetzen und zu vertrauen. Rede mit deinen engsten über deine Trauer, lass alles raus – gehe hoch hinaus bis zum Maximum deiner Gefühle. Steine schleppst du nur, sobald du die Trauer immer wieder verdrängst und dich nicht mit ihr auseinandersetzt. Es wird Geduld, Zeit und vor allem Stärke brauchen.
Die Zeit der Trauer ist nicht vorbei, aber ich bin hier: bereit mich dem Schmerz zu stellen, den Tod zu akzeptieren und in dieser Welt Spuren zu hinterlassen – denn ich bin mir sicher, genau das, würde meine Cousine nicht verpassen wollen.
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