Ich bin Petra und ich bin Deutsche. Ja ich weiß, mein Aussehen sagt was völlig anderes, aber ist dies in erster Linie wichtig? Zurzeit beschäftige ich mich im Rahmen meines Studiums mit dem Thema Integration ,Assimilation und Heimat. Dabei bin ich auf einem Vorfall, das am 23.November 2018 statt gefunden hat, aufmerksam geworden.
In der Castingshow „Das Supertalent“ hat Dieter Bohlen ein kleines Mädchen nach ihrem Auftritt gefragt woher sie komme. Das Mädchen nannte ihr Land, nämlich eine deutsche Stadt. Doch mit dieser Antwort war Dieter Bohlen nicht zufrieden. Er fragte weiter und diesmal interessierte ihn woher ihre Eltern kommen. Auch hier gab das Mädchen dieselbe Antwort. Dieter versuchte es noch einmal, diesmal mit ihren Großeltern. Machen wir hier mal einen Stopp. Wieso fragt Dieter Bohlen das Mädchen drei Mal woher sie kommt? Was genau möchte er damit bewirken? Die Antwort auf diese Frage hat Fatma Ataman getweetet: „Wir sind besessen von Wurzeln, Stämmen und Herkünften. So wie: „Wo kommst du her?’ meistens gemeint ist, könnte die Frage auch gleich lauten: „Du bist offensichtlich nicht volksdeutsch, welcher Ethnie gehörst du an?“
Werden Menschen mit Migrationshintergrund aufgrund ihres Aussehens nicht als Teil der deutschen Gesellschaft gesehen? Und was kann diese Frage: „Wo kommst du her““ auslösen? Wir gehen dem Ganzen mal nach.
Lasst uns mit einigen Infos zu meiner Person starten. Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Meine Kindheit war sehr schön, ich erinnere mich gerne daran. Doch eins wird mir immer bewusst: die deutsche Sprache beherrsche ich gut. Der Deutschunterricht war einer meiner Lieblingsfächer, besonders die Gedichtanalyse, Erzählungen, Lyrik und Buchanalysen. Ich hatte nicht viele Schwierigkeiten in der Schule, was die Sprache betrifft. Und auch heute bemerke ich, wie leicht es mir fällt einen redaktionellen Text zu schreiben, (es macht mir ziemlich Spaß). Oder einige Fachbegriffe in meinem Sprachgebrauch zu integrieren. Dies habe ich meinem Vater zu verdanken, denn er erlaubte nur Deutsch und ab und zu Mal Englisch zu Hause. Ihm war es sehr wichtig, dass wir die Deutsche Sprache beherrschen und gut in der Schule sind. Ich habe mich somit damals von meiner Kultur etwas assimiliert. Noch heute trage ich Spuren davon, nämlich bei der Sprache meiner afrikanischen Kultur. Ich würde sagen, dass ich meine afrikanische Kultur nie vollständig abgelegt habe. Denn mir war wichtig, mich neben der Sprache auch mit anderen Dingen meiner afrikanischen Kultur zu befassen, schließlich ist sie ein Teil von mir. Glücklich in einem Land zu leben, in dem ich so viele Möglichkeiten habe und eine neue Kultur kennen lernen darf, gab es aber auch viele Barrieren, die mich daran hinderten diese Kultur richtig annehmen zu können. Aufgrund meiner Erscheinung, die offensichtlich nicht wie eine gewöhnliche Deutsche aussieht, erlebte und erlebe ich heute noch Gegenwind. Begriffe wie „N….“, „Schokokuss“ oder abwertende Blicke haben mich lange begleitet. Heute sind es eher versteckte rassistische Bemerkungen, die kennzeichnen, dass ich fremd bin. Es sind jegliche Fragen, die meine deutsche Kultur mit einem rassistischen Beigeschmack in Frage stellen. Wie zum Beispiel: „Sie kommen ursprünglich aus Ghana? Ach Sie können dafür aber sehr gut deutsch sprechen.“ Und ich denke mir einfach so: „Natürlich kann ich das, ich bin hier aufgewachsen!“ Wieso kann meine Identität nicht einfach vollständig akzeptiert werden?
Die Frage nach Zugehörigkeit und Identität – ein ewiger Kampf
Fatma Atamans Tweet löste eine große Debatte aus. Viele andere Menschen, darunter ganz viele öffentlich bekannte Gesichter, teilten ihre Alltagserfahrungen mit der Wo-Kommst-Du-Her Frage mit. Es ist noch in diesem Zeitalter zu sehen, dass das Deutschsein immer noch mit einem bestimmten Aussehen verbunden wird: Blond, blaue Augen. Aber warum kann es nicht auch braun, dunkle Augen sein? Sich in einem Land zu integrieren heißt Normen, Werte, Sprache und vieles andere zu akzeptieren und anzunehmen. Doch wie kann es sein, dass Migranten dennoch der Weg zur Freiheit erschwert wird? Ich spreche für alle, weil ich genug gesehen, gehört und erlebt habe. JA, Deutschland hat schon viel getan, um Migranten vom Herzen aufzunehmen und die Türen der Integration zu öffnen. Doch eine Migrantin, die sich auf das Top-Management bewirbt und aufgrund ihrer Erscheinung es nicht auf die Leiter nach oben schafft, stellt ihre Identität massiv in Frage.
Wir – ich stehe zwischen zwei Stühlen: Deutsch? Ja, ich bin Deutsche, aber nicht Teil des Ganzen. Ist es das Neue, dass Deutsche abschreckt? Sind es die Gewohnheiten an alte Strukturen, die es schwierig machen Neues zuzulassen?
Nehmen wir mal an, dass ich meine Deutsche Kultur komplett annehme, bin ich dann Deutsche? Diese Fragen schwirren mir durch den Kopf, denn ich finde die Frage nach der Identität stellt sich jeder. Aber was tun, wenn dein Alltag dir mitteilt, dass der Kampf umsonst war? Die Frau, die dich in der Bahn ständig anstarrt. Oder der Chef, der meint, du könntest doch so gut tanzen, wie alle anderen schwarzen auch. Was ist mit der ewigen Sucherei nach Make-Up in der richtigen Hautfarbe und nicht zu vergessen Strumpfhosen, warum gibt es die nicht in meinem Ton? Wozu kämpfen, wenn mir Heimat nicht gegeben werden kann?
Wo bin ich zuhause?
Heimat – anders für jeden Einzelnen. Für die einen ist es der Ort, in dem sie aufgewachsen sind und die anderen sehen Heimat eher in Menschen, die sie lieben. Heimat ist für mich ganz klar der Ort, in dem ich geboren bin, aber auch eine Wohlfühloase. Damit meine ich Menschen, bei denen ich mich wohlfühle und gerne zurück komme, um stundenlang zu reden, zu weinen oder zu lachen. Heimat bedeutet für mich aber auch die Fähigkeit zu wachsen, sich zu entfalten und sein zu können wer man ist. Doch zwiegespalten fühle ich mich trotzdem sobald ich das Land meiner Wurzeln betrete. Denn dort wird sichtbar, dass ich Deutsche bin: Blicke, die dies kennzeichnen und Verkäufer, die äußerst nett oder auch versteckt nach noch mehr Geld fragen. Und in Deutschland? Hier bin ich die „Andere“ und dies bekomme ich auch teilweise zu spüren. Mit Woher-kommst-du-Fragen oder Klischees, die als Witz mir zugeworfen werden oder die Blicke in der Bahn, die mich förmlich anschreien: „Du siehst so anders aus.“ Und ich frage mich: „Wo fühle ich mich denn noch zuhause?“
Ich bin der Meinung, dass wir Heimat auch zunächst innerlich starten können. Zu akzeptieren, dass man in seinem aktuellen Zustand gut ist und keinerlei Veränderung nötig ist. Ich darf mich in zwei Kulturen und unterschiedlichen Rollen bewegen. Deutsch und Ghanaerin, Jollofrice und Kartoffel mit Rahmensoße. Heute bin ich die Petra, die mit ihren deutschen Freunden gerne in die Bar geht und morgen diejenige, die mit ihren ghanaischen Eltern zu kulturellen Festen geht. Die Poetry Slam Kultur durchmischen, meine Grenzen austesten und einfach, jegliche Bahn nehmen, die mich zur glücklichen Station bringt. Die Freiheit sein Leben so zu gestalten, wie man möchte in einer Umgebung, die dies möglich macht – das bedeutet Heimat für mich.
Prince
Hallo Guten Abend,
treibe mich jetzt schon fast seit einer Stunde auf der Seite rum.
Fühle mich jetzt einfach gezwungen was zu schreiben muss wirklich sagen, dass du mich hier in vielen Sachen zum nachdenken gebracht hast und mich sehr berührt hast.
Mach bitte weiter so !!!
Petra
Ich danke dir sehr! Das freut mich, dass ich dich bei vielem zum nachdenken bringen konnte. 😀