Ausgeschlossen, allein und nicht eines Blickes würdig – Stigmatisierung gegenüber Menschen mit psychischen Störungen ist Alltag. Nicht nur in Deutschland, auch in einigen Ländern in Afrika ist die Stigmatisierung ein wichtiger Stichpunkt. Mentale Krankheiten werden nicht als wichtig genug war genommen und auch viele Ressourcen fehlen. Wieso wird das Thema Mentale Gesundheit in der Black Community unter den Teppich gekehrt? Ich spreche mit Imoan Kinshasa, Kolumnistin im Online Magazine VICE, über die Thematik.
Imoan Kinshasa, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast mit mir ein Interview zu führen.
Inwiefern sind psychische Störungen ein schwieriges Kommunikationsthema in der Black Community?
Eine Psychische Störung wird gerne mit Besessenheit gleichgesetzt oder als Schwäche abgetan. Es wird also geraten man soll seine Probleme bei Gott lassen und mehr beten, oder sich einfach mal zusammenreißen. Leider entmutigt das viele Menschen sich Hilfe zu holen. Schlimmstenfalls endet das sogar in Suizid, da die Betroffenen sich nicht ernst genommen fühlen. Generell beobachte ich aber einen Wandel. Vor Allem die jüngeren Generationen beginnen immer mehr sich mit dem Thema psychische Gesundheit auseinandersetzen.

Woran könnte es liegen, dass solche Themen eher unter den Teppich gekehrt werden?
Nunja, sagen wir mal so, wir haben einfach keine Zeit dafür. Neben dem Rassismus der uns zusätzlich den Rest gibt, gilt es in der Community eine Fassade zu bewahren: Arbeit, Familie, soziale Verpflichtungen. Wer nichts leistet hat bald einen schlechten Ruf. Mentale Gesundheit war daher nie so ein großes Thema, die Menschen haben ums überleben gekämpft. Sie haben sich eine Zukunft für ihre Kinder geschaffen. Da muss man hart sein, da gibt es einfach keinen Platz für Krankheit. Leider gelten psychische Krankheiten auch als “Krankheiten des weißen Mannes”. Also Etwas, das frei erfunden ist, wovon Schwarze auf keinen Fall betroffen sein können.
Könnte ein weiterer Grund sein, dass Menschen mit afrikanischem Hintergrund an bestimmte Glaubenssätze festhalten?
Das ist einer der größten Gründe. Religion, Tradition. Aber auch Rassismus spielt da unterschwellig mit. Uns ist beigebracht worden dass wir stärker und härter im Nehmen sind. Krankheit bedeutet Schwäche.
In deinem Artikel „Warum Depressionen für mich als Women of Color besonders schwierig sind““ im Online Magazine VICE schreibst du über deine Erfahrungen mit Depression. Ab wann wusstest du, dass du Depressionen hast?
Depressionen hatte ich als Kind schon sehr früh. Dass ich wirklich Depressionen habe weiß ich seit meinem 22. Lebensjahr. Ich war gerade in den letzten Zügen meines Studiums. Zusätzlich hatte ich drei Jobs um mich zu erhalten. Eines Tages bin ich einfach zusammengebrochen und konnte nicht mehr. Seit dem habe ich immer wieder Phasen in denen nichts geht. Liegt aber auch daran dass ich mir nicht eingestehen will dass ich ein Problem habe. Therapie war für mich immer etwas Schreckliches
Was waren die Symptome?
Ich habe die ganze Zeit geschlafen und war trotzdem immer müde. Der Antrieb hat mir gefehlt, ich bin wie ein Zombie durch die gegend gelaufen oder im Bett gelegen. Erste Anzeichen einer Erschöpfung erkennt man eigentlich sehr früh, wenn man weiß worauf man achten muss: Muskelverspannungen, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, andauernde Müdigkeit. Manche Menschen essen wenig, andere stopfen sich voll. Bei mir ist das auch je nach Stimmung. Trotz meiner Erschöpfung hat mein Kopf nie Ruhe gefunden. Wie ein Wespennest sind gedanken durch meinen Kopf gerast.
Wie hat deine Familie darauf reagiert?
Meine Familie hat tatsächlich die Tendenz zu Depressionen. Das betrifft speziell die Frauen. Ich bin die dritte Generation bei der Depressionen diagnostiziert wurden. Ich bin mir sogar sehr sicher, dass das noch viel weiter zurück geht. Es war also keine große Überraschung. Ich wurde als Kind schon behandelt, wusste aber nicht warum. Nun ist es klar. Erst hatte ich Angst eine Versagerin zu sein. Aber im Endeffekt weiß ich so auch wo es herkommt. Geteiltes Leid ist halbes Leid, sagt meine Oma immer.
In deinem Text „Warum Depressionen für mich als Woman of Color besonders schwierig sind“ im Online Magazine „VICE“ schreibst du davon, dass du stets als starke schwarze Frau in der Gesellschaft gesehen wurden bist und du aus diesem Grund keine Schwäche zeigen wolltest, inwieweit hat dich dieses Bild einer starken schwarzen Frau in deinem Leben geprägt?
Die einzigen Schwarzen Frauen die ich in meiner Kindheit und Jugend gesehen habe waren starke schwarze Frauen die schlagfertige Prostituierte die sich nichts gefallen lässt. Eine “Ghetto Mama” die einen Fremden zurecht weist: das war mein Bild der Schwarzen Frau. In meiner Familie haben wir auch nur starke Frauen, die mit vielen Schicksalsschlägen zu kämpfen hatten. Das lernt man einfach so, man übernimmt es, absorbiert es. Ich wurde dann auch immer so wahrgenommen, mir wurden Komplimente für meine Stärke gemacht. Die unerschütterliche, das wollte ich aufrechterhalten. Und als Frauen werden wir auch darauf getrimmt für Andere da zu sein, uns über unsere eigenen Probleme hinwegzusetzen und uns und unsere Bedürfnisse zurück zu nehmen. Wie viele Mütter gibt es, die seit Jahren unbezahlte Pflegearbeit leisten müssen ohne sich zu beschweren.
Das alles ist eine ganz gefährliche Kombination. Man ignoriert seinen eigenen Körper, bis der einfach abschaltet und man wie gelähmt daliegt und sich fragt wofür man sich eigentlich so kaputt macht. Und selbst in der Krankheit versucht man dann noch stark zu sein. Ein Teufelskreis.
Was kann gegen Depressionen getan werden? Und wie bist du damit umgegangen?
Das einzige was man gegen Depressionen tun kann ist eine Therapie und wenn notwendig Medikation. Erstmal muss ich loswerden wie schockiert ich bin über all die Brüder und Schwestern die Medikamente so ablehnen. Klar, ohne Therapie keine Antidepressiva, aber wer sie braucht soll sie nehmen können ohne stigmatisiert und vollgequatscht zu werden. Nein ich möchte keine Bisamratten hoden lutschen um wieder gesund zu werden. Ein irrglaube ist auch, dass man abhängig wird. Antidepressiva machen nicht abhängig, sonst würde ich nicht dauernd vergessen meine Medikamente zu nehmen.
Der Kernpart ist aber die Therapie. Es ist anstrengend, es macht meistens keinen spaß und es geht einem nicht unmittelbar besser, aber man muss die Wurzel des Problems finden. Es fing erst an mir besser zu gehen als ich mich aktiv mit meinen Problemen auseinander gesetzt habe. Woher kommt diese Verhaltensweise? Warum reagiere ich so? Das sind alles Fragen, die einem dabei helfen können sich zu finden.
Erst vor ein paar Wochen habe ich eine zweimonatige stationäre Therapie abgeschlossen. ich hab einfach eine Auszeit gebraucht. Ich war nicht mehr fähig mich um mich und meine Verpflichtungen zu kümmern. Ich persönlich habe gerade die Therapie lange abgelehnt. Der Gedanke einer weißen Frau mein Leben zu erzählen, war für mich zu viel. Als Kind hatte ich eine Therapeutin die mit meinen Rassimuserfahrungen nichts anfangen konnte. Auch heute stoßen bisher alle meine Therapeutinnen an ihre Grenzen bei diesem Thema. Ich hab dann einfach gelernt das Thema auszuklammern und in einem rein Schwarzen Raum zu verarbeiten. Aber, ich hatte auch die notwendigen Ressourcen, Selfcaregruppen für schwarze Frauen gibt es leider noch nicht überall.
Wie das Bild von Depressionen als unheilbare und stigmatisierte Krankheit in der Black Community behandelt werden, sodass sie endlich akzeptiert wird?
Darüber reden, aufklären. Wir brauchen mehr schwarze Psychologinnen und Psychologen. Vor allem Parissima Taheri -Maynard beschäftigt sich mit der Thematik Mentale Gesundheit bei Minderheiten. Sie muss Seminare in den USA belegen, da im Deutschsprachigen Raum keine angeboten werden.
In Gruppentherapien und Gesprächskreisen stelle ich immer wieder fest dass wir eigentlich alle die gleichen Selbstzweifel haben, ähnliche Gedanken und Ängste. Genau deswegen will ich auch offen über meine Depressionen sprechen, meine Therapie und sonst allem, damit die Menschen sehen es ist nichts schlimmes, sondern etwas gutes sich zu öffnen. Wir brauchen auf jeden Fall mehr Raum und Save Spaces für Betroffene.
Wo stehst du jetzt im Leben?
Seit ein paar Wochen bin ich zuhause, hab eine zwei Monatige Therapie hinter mir. Es ist schwerer als gedacht wieder ins normale leben einzusteigen. Man ist nicht sofort auf Wundersame weise geheilt. Es dauert Monate oder Jahre altes zu entlernen. Ich bin froh den Schritt getan zu haben. Ich bin ruhiger, ausgeglichener und habe mehr zu mir selbst gefunden. Dennoch muss ich mich immer wieder daran erinnern dass da etwas in mir ist und dass es okay ist länger zu brauchen oder einfach mal einen Tag faul im Bett zu verbringen. Außerdem gehe ich wöchentlich zur Therapie, auch wenn ich keine Lust darauf habe.
Vielen Dank für das Interview!
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